CIVITATES Workshop: HIV (kennen)lernen

Sexuelle Gesundheit und damit auch sexuell übertragbare Infektionen (STIs) sind seit einiger Zeit Teil gesellschaftlicher Diskussionen und unseres Alltags.

Doch das bedeutet nicht, dass Vorurteile und Stigmatisierungen verschwunden sind, ganz im Gegenteil: Trotz der zunehmenden Sichtbarkeit des Themas halten sich viele Klischees und Diskriminierungen hartnäckig.

Gerade sexuell übertragbare Infektionen wie das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) werden in der öffentlichen Wahrnehmung leider häufig eng mit Sexarbeit verknüpft. Staatliche und gesellschaftliche Maßnahmen wie verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen für Sexarbeiter*innen – inklusive HIV-Testswährend Kund*innen davon ausgenommen bleiben, tragen zusätzlich zur Stigmatisierung bei.

Vor diesem Hintergrund hat LEFÖ-TAMPEP ein Projekt mit CIVITATES-The European Democracy Fund ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Kapazitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen und von Sexarbeiter*innen selbst geleiteter Initiativen zu stärken.

Gemeinsam mit unserer kulturelle Mediatorin Jenny Olaya-Peickner sowie den Sexarbeiterinnen* Sara, Samantha und X, die als Peer-Expertinnen* die Gespräche anführten, wurden in zwei Blöcken insgesamt vier Workshops rund um das Thema Peer-to-Peer-Unterstützung und Begleitung im Umgang mit HIV durchgeführt.

Das erste Treffen diente vor allem dazu, zentrale Fragen zu klären, auf denen der gesamte Workshop aufbaute. Dazu gehörten unter anderem:
Was bedeutet es für dich als Sexarbeiterin*, andere Sexarbeiter*innen zu beraten? Was brauchst du, um das tun zu können?

Es wurde gemeinsam überlegt, wie und wo eine solche Beratung angeboten werden kann und welche Beziehung zur eigenen Person dabei entsteht. In Bezug auf das Thema HIV war allen schnell klar, dass es eng mit Fragen von Gesundheit und gesellschaftlicher Stigmatisierung verknüpft ist. Besonders Menschen mit Drogenkonsum und Sexarbeiter*innen werden häufig als diejenigen dargestellt, die das Virus verbreiten oder bekommen.

Im Zentrum standen zwei Fragen:
Was kommt mir in den Sinn, wenn ich „HIV“ höre?
Wie fühlt sich mein Körper als Sexarbeiter*in an?

Die vorherrschenden Gefühle waren dabei Angst und Schuldzuweisungen.

Bei der Auseinandersetzung mit den Faktoren, die mit HIV in Verbindung stehen, wurde deutlich, dass soziopolitische und ökonomische Aspekte eine entscheidende Rolle spielen, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene, etwa im Hinblick auf das Gesundheitssystem und die geltenden Gesetze.

Auch der Zugang zu Informationen, die Ausbildung von medizinischem Personal und die Erreichbarkeit von Angeboten haben großen Einfluss auf die gesundheitliche Versorgung und das Recht auf Pflege, Behandlung und Prävention.

Um das Thema HIV umfassend zu behandeln, identifizierten die Teilnehmerinnen* sechs zentrale Punkte:

  • die medizinische Behandlung,
  • den Nachweis des Virus,
  • die Übertragungswege,
  • die Entwicklung des Virus im Körper,
  • die Unterscheidung zwischen dem Virus und der Krankheit AIDS,
  • sowie den Umgang mit Sprache – also wie man über HIV sprechen kann, ohne Angst zu erzeugen.

               


Block 1, Workshop 1

Ziel dieses Workshops war es herauszufinden, welches Wissen bereits vorhanden ist, welche Begriffe verwendet werden, um über HIV zu sprechen, und welche Fragen in die nächste Einheit übernommen werden können.

Je nach Gruppengröße wurde die Übung individuell oder in Kleingruppen durchgeführt. Die Teilnehmer*innen erhielten Zettel, auf die sie schreiben konnten, was sie über HIV denken oder gehört haben. Anschließend wurden die Aussagen den Kategorien „Mythos“, „Wahrheit“ oder „teils Mythos, teils Wahrheit“ zugeordnet.


Block 1, Workshop 2

Im zweiten Workshop ging es darum, wie man über HIV sprechen kann, ohne Panik oder Angst zu erzeugen. Gleichzeitig stellte er die Brücke zum Thema des zweiten Blocks dar, bei dem die Vermittlung von Unterstützung und Begleitung sowie die Rolle von Peers* im Mittelpunkt stehen.

Im Fokus stand die Frage nach Sprache:
Welche Sprache verwenden wir? Welche erkennen wir wieder? Welche berührt uns? Und welche Sprache erleben Menschen mit HIV?

Zentral war dabei die Handlung: Wen spreche ich an – und wie?

Gemeinsam reflektierten die Teilnehmerinnen* über umgangssprachliche Begriffe, die häufig irritieren oder verletzen. Jede Person nannte Wörter, die sie aus dem Arbeitskontext kennt und die im Sexarbeitsmilieu verbreitet sind. Danach wurden die damit verbundenen Emotionen gesammelt:
Was vermitteln diese Worte? Was lösen sie aus? Was legitimieren oder verletzen sie?

               


Block 2, Workshop 3

Im zweiten Block standen praktische Fragen im Mittelpunkt:
Welche Informationen sollen unter Peers* weitergegeben werden und welche Werkzeuge werden dafür benötigt?

Den Teilnehmerinnen* war es wichtig, auf einer soliden Basis aufzubauen. Ausgehend von dem, was sie in den ersten beiden Workshops gelernt und reflektiert hatten, formulierten sie eine zentrale Botschaft:

HIV ist kein Todesurteil.

               


Block 2, Workshop 4

Der letzte Workshop widmete sich der praktischen Umsetzung: Wie könnte ein solcher Workshop konkret gestaltet werden, und was wird dafür benötigt?

Im Zentrum stand dabei die Frage:
Wer ist die Zielgruppe?

Diese Frage beeinflusst viele weitere Aspekte:

  • Welche Sprache spricht die Gruppe?
  • Kennen sich die Teilnehmenden untereinander?
  • Sind sie mit uns befreundet oder bekannt?
  • Ist die Gruppe homogen oder gemischt?

Die Beantwortung dieser Fragen hilft nicht nur bei der Vorbereitung, sondern auch bei der Einschätzung möglicher Dynamiken während des Workshops – etwa potenzielle Konflikte oder das richtige Tempo.

               


              

Zum Abschluss des Projekts wurden die Teilnehmerinnen* gebeten, zwei Karten auszuwählen, eine aus einem sichtbaren Stapel, eine aus einem verdeckten.

Die sichtbaren Karten sollten beantworten:
Was nehme ich aus dem Workshop mit? Was gebe ich weiter? Wofür danke ich meinen Kolleginnen?*

Die verdeckten Karten symbolisierten den Beginn des Workshops:
Ich wusste nicht, was mich erwartet, wie die Gruppe zusammenfindet oder welche Wirkung das Ganze auf mich haben würde.

Nach dem Umdrehen las jede Teilnehmerin*, was auf ihrer Karte stand und teilte, was sie aus dem Projekt gelernt, beigetragen und mitgenommen hatte.

Wir danken Jenny, Samantha, Sara und X herzlich für ihre Teilnahme und Leitung, ihren kontinuierlichen Austausch und ihre Offenheit während der Workshops. Ihr Engagement stellt einen wichtigen Schritt in Richtung Peer-to-Peer-Feedback für HIV-Unterstützung und -Begleitung dar!

       

Wenn du mehr über das Thema HIV erfahren möchtest, kannst du hier nachlesen:

Basisinfos-1_HIV-Biomedizinische-Grundlagen

Basisinfos-2_HIV-Therapie

Basisinfos-3_HIV-Übertragungswege

Basisinfos-4_HIV-Test-und-Diagnostik


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